Prüm/Binscheid. Hand aufs Herz: Wieviel Wein oder Bier gehört zum gepflegten Feierabend dazu? Ein Glas oder doch schon zwei? Wann wird aus einer Gewohnheit ein echtes Problem? "Schneller als mancher denkt", sagt der Diplom-Psychologe Franz Urfels. Am Anfang stehe stets der Genuss, ihm folge auf der sogenannten "Suchtstraße" die Gewöhnung, erklärt er den Besuchern eines Informationsabend des Caritasverbands Westeifel im Binscheider Dorfgemeinschaftshaus.
Reisen auf der Suchtstraße
Täglich bietet Urfels in der Prümer Fachstelle für Spielsucht kostenlose Beratungen an, seine Kollegen Willi Bauer und Birgit Oster betreuen wiederum Besucher, die Probleme mit stofflichen Süchten - also Alkohol oder beispielsweise Drogen - haben. "Doch egal, ob Glücks- und Computerspiel oder Alkohol und Drogen, der Weg auf der Suchtstraße ist immer derselbe", sagt er. Gegen Genuss spreche zunächst nichts, trete aber eine Gewöhnung ein, werde oft die Dosis gesteigert: "Der nächste Schritt in die Sucht."
Ein harmloses Beispiel: "Eine Ecke Schokolade bringt es nicht mehr, es muss die ganze Tafel sein und schon ist man bei der nächsten Station, dem Missbrauch." Das Konsummittel werde zweckentfremdet. "Es soll plötzlich vom Stress ablenken, Probleme lösen oder auch von ihnen ablenken." Komme ein unwiderstehliches Verlangen hinzu oder zeigten sich körperliche Konsequenzen, sei bereits eine Abhängigkeit da. Schritt für Schritt bespricht Urfels die einzelnen Stationen der "Suchtstraße". "Wir nutzen das Modell auch in unseren Beratungen. Der Klient muss sich selber klarmachen, wo er sich befindet, ob sein Konsum noch unbedenklich ist." Der Erklärungsansatz führt unter den Gästen schnell zu angeregten Gesprächen. "Die Schritte sind gut nachvollziehbar. Es ist interessant, sich in dieser Form mit dem Thema Sucht auseinanderzusetzen", sagt Üttfelds Ortsbürgermeister Horst Zils.
Im Jahr 2015 nutzten insgesamt 438 Personen mehrfach die Beratungsangebote der Caritas Westeifel in Prüm (84 Besucher) und Bitburg (354 Besucher). Weitere 120 Besucher kamen nur einmal zum Gespräch. 206 Hilfesuchende sprachen ihr bedenkliches Trinkverhalten an.
"Alkohol ist gesellschaftlich sehr akzeptiert, deswegen wundert es auch nicht, dass hier die meisten Probleme entstehen", sagt Marc Spiekermann, Fachkraft für Jugendarbeit der Verbandsgemeinde Arzfeld.
Direkt auf Alkohol folgt das Thema illegale Drogen, das von insgesamt 124 Besuchern im Jahr 2015 angesprochen wurde, 41 Klienten wiederum kamen wegen Spielproblemen oder einer Internetabhängigkeit zur Sprechstunde.
"Illegale Drogen sind seit jeher in der Eifel sehr präsent - allen voran der Cannabismissbrauch", sagt Urfels. Spiekermann betont, dass die Dunkelziffer von Abhängigen erheblich höher liege, als die Beratungszahlen vermuten ließen. "Wir erreichen wohl nur einen Bruchteil der Menschen, die ein Suchtproblem haben."
Die Prümer Suchtberatung der Caritas ist täglich von montags bis freitags von 8 bis 13 Uhr sowie auch an Montagen und Donnerstagen von 14 bis 16.30 Uhr erreichbar unter der Telefonnummer 06551/971090 oder vor Ort in der Dienststelle im Konvikt.
Franz Urfels (links) erklärt den Zuhörern die einzelnen Stufen der Abhängigkeit.TV. Frank Auffenberg
09.03.2016
Frank Auffenberg